Der Danni wird zu einem Symbol für das, was zerstört wird, wenn man darauf besteht, ein altes, veraltetes Transportsystem auszubauen, das uns mit voller Kraft in die Klimakrise treibt. Mehr Autobahnen zu bauen ist ein doppeltes Verhängnis. Es bedeutet die Zerstörung von Wäldern und anderen Naturgebieten, die uns tatsächlich im Kampf gegen die globale Erwärmung helfen, und die Schaffung von Platz für mehr Autos, was die Verschmutzung durch Treibhausgase und andere Schadstoffe noch verstärkt. Im Jahr 2020 – in Zeiten der Klimakrise und anderer Katastrophen – einen Wald für eine neue Autobahn zu durchforsten, sie durch einen Wald zu bauen, in dem über 200 Jahre alte Bäume und viele gefährdete Arten beheimatet sind – ganz zu schweigen von einem lebenswichtigen Wasserreservoir für die Region – ist und offenbart die Heuchelei der grünen Versprechen der deutschen Regierung und einer vermeintlichen politischen Opposition. Die Grünen präsentierten sich auf ihrem Parteitag als das, was sie wirklich sind und schon immer waren: Opportunistische Machtspieler. Aber sie werden auf die Fresse fallen. Im Danni und überall, wo sie uns ausnutzen wollen. Wir wissen es längst alle: Das gestrige rot-grün wird das neue schwarz-grün sein.
Doch es geht nicht nur um Bündnis 90/Die Grünen, Landesregierungen oder das heuchlerische Rumgedruckse um „realpolitische Entscheidungen“. Es geht um einen Ort, der für etwas steht. So gut wie alle, die dort waren, haben den Dannenröder Wald lieben gelernt. Mit Vielen hat dieser Ort etwas gemacht. Doch was ist das Besondere dort, was ist anders? Es ist ein anderes Gefühl, aus der Enge und dem Lärm der Stadt raus zu sein, ohne Handys unterwegs, diese Überwachungs- und Kommunikationstechnologie, die uns ununterbrochen manipuliert und kontrolliert. Stattdessen im Wald, in der Natur mit Freund*innen/Gefährt*innen. Aber es kann nicht nur die schöne Landschaft sein. Also was ist es noch? Im Danni passiert realer Widerstand! Nicht die Verschwommenheit und der faule Kompromiss, die wir in Leben und politischem Kampf in der Stadt/im System dauernd erleben müssen. Stattdessen eine klare Trennungslinie mit dem Feind, Menschen, die sich mit ihren Körpern, ihren Existenzen in den Widerstand begeben und ein kollektiver Geist von „Ihr müsst erst durch uns durch, bevor ihr durch diesen Wald durch könnt!“ Der Widerstand lebt permanent im kollektiven Moment. Er lebt im Kochen und den Lagerfeuern, dem Errichten von Strukturen und Barrikaden, in der Organisierung innerhalb und außerhalb des Waldes, im Kümmern und Supporten umeinander und der Solidarität mit den Gefangenen, sowie den immer wiederkehrenden Besetzungen, Blockaden und Angriffen auf die Bullen und der Sabotage von eingesetzen Maschinen und Infrastruktur.
Es geht nicht nur um die Klimakrise, nicht nur darum, die Artenvielfalt im Wald, explizit diesen Wald zu schützen. Der Widerstand im Wald ist nicht allein ein Abwehrkampf, sondern eine auf territorialer und praktischer Ebene politische Offensive gegen Staat und Kapitalinteressen. Es geht darum die Möglichkeit eines anderen hier und jetzt zu denken. Darum, Freiräume zu schaffen, um auf unterschiedlichen Ebenen gegen das System zu kämpfen.
Der Kampf ist kräftezehrend. Die Rodungssaison ist kalt und nass. Die Polizei kann sich mittlerweile immer selbstbewusster und koordinierter im Wald bewegen und das Territorium zunehmend für sich gewinnen und durchdringen. Sie nimmt dabei Schwerveletzte und Tote in Kauf, sie behandelt die Menschen im Wald und die Gefangenen wie den letzten Dreck, aber zeigt damit ein mal mehr, dass sie in ihrer Feindschaft zum Leben jedem Willen nach Freiheit und einer besseren Welt entgegen steht. Schreckhaft schützen sie ihre Festung auf der Rodungsschneise, bewegen sich nur hinter ihrem Zaun und Stacheldraht ohne Helme und Schlagstock und versuchen, die unkontrollierbare Dunkelheit des Waldes mit unzähligen Flutscheinwerfern auszuleuchten.
Der Kampf im Wald war noch nie gewaltfrei. Von Anfang an war klar, dass das Errichten von Strukturen und die Forderung, nicht zu roden bedeuten, sich der polizeilichen Brutalität und ihrem wichtigsten Antrieb, den Kaptitalinteressen, in den Weg zu stellen. Das war auch beim Hambacher Forst oder den französischen ZADs wie Bure oder Notre-Dame-des-Landes schon so. Vielen in der Besetzung des Waldes geht es eben nicht darum, im Rahmen der Gesetze ihre Meinungsverschiedenheit mit der hessischen Landesregierung kundzutun, sondern ihre Bedingungslosigkeit in der Ablehnung der zerstörerischen kapitalistischen Logikzu verteidigen. Mit ihren Körpern, mit ihren Worten oder mit einigen Freund*innen und einem Beutel voll Steinen.
Der Dannenröder Forst kann die Startbahn West unserer Generation werden. Das Potential gesellschaftlicher Mobilisierung ist groß. Wenn wir aus den Kämpfen von damals lernen, können wir hier einen erfolgreichen politischen Kampf führen, der die Realität der Zukunft verändert. Im Danni sehen wir Lebendigkeit und Leidenschaft, eine kämpfende Bewegung und gelebte Werte – Zeugnisse einer anderen, möglichen besseren, Welt. Und alle, die dort unterwegs waren, sind oder es sein werden, werden bestätigen können, dass man sich beim praktischen Kämpfen für die Natur auf den verschiedensten Ebenen ein Stück freier fühlt. Es ist die Freiheit, der man im Kampf näher kommt, als irgendwie sonst.
Der Kampf um den Dannenröder Wald ist eine Erfahrung, die uns niemand nehmen kann. Das muss uns bewusst sein. Denn aus dieser Erfahrung lässt sich noch viel Großartigeres erschaffen, wenn wir es richtig machen. Es kann uns weiterbringen und losreissen aus der Starre von Abwehrkämpfen und verschärfter Repression. Die Wahl von militanten Mitteln entsteht nicht aus Verzweiflung, sie ist kein Ausdruck von Chaos oder Provokation und kein „letztes Mittel“. Militanz ist ein wesentlicher Bestandteil der Verteidigung und der Offensive unserer Politik. Sie funktioniert nur in Kombination mit dem Aufbau von Strukturen, Kommunikation und Austausch untereinander. Sie besteht darin, miteinander zu kämpfen und in keinem Fall mit den Cops zu verhandeln, reden oder kooperieren. Sie endet nicht mit dem Einsperren unserer Freund*innen, sondern muss an dem Punkt entflammen. Weiter brauch es jetzt umso mehr eine Diskussion über eine Taktik und ein Zusammenbringen der verschiedenen Kämpfe. Der Wald geht alle an. Die breite, diverse Klimabewegung, Anarchist*innen, Kommunist*innen und Autonome in den Städten, Waldbewohner*innen und unermüdliche Besetzer*innen, genauso wie unsere Eltern und Großeltern. Militanz kann dementsprechend nicht als Randerscheinung, abgetrennt von einer solchen Diversität, stattfinden. Das plötzliche Auftauchen von vermummten, wütenden Menschen zwischen den Bäumen, die den direkten Angriff auf die Polizei wählen, ist ein integraler Bestandteil des Konflikts für eine bessere Zukunft. Dabei unterstützen und verstärken sich die verschiedenen Aktionsformen, Momente und Strategien gegenseitig und müssen das in Zukunft umso mehr tun. Wir müssen uns organisieren, die Angriffe planen und Situationen erkennen und nutzen können. Wir müssen die Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen im Wald zusammenbringen und in die Städte übersetzen.
Für Viele wird die Räumung der Besetzung und die Rodung des Waldes ein harter emotionaler, wie politischer Einschnitt sein. Menschen sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Und die Härte der Repression und die Brutalität der Cops wird Spuren hinterlassen. Sie reden von Rechtmäßigkeit, sie behaupten, Leute aus den Bäumen zu „retten“ und stellen sich als deeskalative Ordnungskraft dar, die doch nur ihren Job mache. Nach mehrmaligem Durchtrennen von Seilen und daraus folgenden lebensgefährlichen Abstürzen verdrehen sie die Realität ihrer Gewalt, und versuchen sich letztendlich als die leidtragende Partei darzustellen. Die Cops sind hierbei selbst politischer Akteur. Als Kettenhunde der herrschenden Klasse sind sie die Exekutive einer zerstörerischen Verwertungsideologie, in deren Interesse es liegt, durch Gewalt und Angst auch zukünftige Widerstände abzuschrecken, um ihre Profite auch für die Zukunft abzusichern.
Machen wir uns nichts vor – die erste Schlacht um den Wald ist geschlagen, Barrios geräumt und Wald gerodet. Der Kampf ist damit aber noch lange nicht vorbei. Die A49 ist in der bundesdeutschen Öffentlichkeit und darüber hinaus zum Symbol des Kampfes für Klimagerechtigkeit geworden. Die Frage, was man tun kann und wer welche Verantwortung trägt, liegt offen wie nie auf dem Tisch.
Es geht um die Möglichkeiten des Weitermachens und die Kontinuität und Neuformierung der Bewegung. Die Herrschenden haben den Ort vorerst zu ihrem Territorium gemacht, mit Planierraupen, Schotter und Zäunen. Dennoch bedeutet das noch nicht, dass sie an ihrem Ziel sind. Die Autobahn muss immer noch gebaut werden. Um die Trasse herum befindet sich weiterhin Wald und die unzählige Menge an Cops wird nicht ewig bleiben können. Die Baumaschinen und Infrastruktur sind weiterhin so teuer wie zerstörbar.
Wir müssen uns neu sammeln und einen zweiten Frühling für den Widerstand im Dannenröder Wald organisieren. Das heisst akut für alle Genoss*innen von außen vor allem, die Besetzer*innen zu unterstützen, Strukturen wieder aufzubauen, den Widerstand durch den Winter aufrecht zu erhalten und die Gefangenen in den Knästen nicht zu vergessen.
In einem zweiten Schritt müssen wir unsere Fehler und Versäumnisse des letzten Jahres analysieren und uns verbessern. Die einzelnen Aktionen müssen besser koordiniert werden. Die Vielfalt der Aktions- und Organisierungsformen sollten wir als unsere Stärke begreifen. Das Ineinandergreifen und die Solidarität der unterschiedlichen Taktiken kann unser Sicherungsgurt sein. Darüber hinaus sollten wir aktiver den Austausch und die Diskussion mit vor allem den Dorfbewohner*innen suchen und als Revolutionär*innen die Verbindungen zur lokalen Bevölkerung stärken. Dafür schlagen wir vor, den Frühling zu nutzen, um wieder verstärkt in den Wald zu ziehen und Strukturen aufzubauen und den Sommer als Phase des intensiven Widerstands auszurufen. Die vereinzelten offensiven Momente müssen zu einer Welle werden, die die nötige Kraft entfaltet, das morbide A49 Projekt zu zerschlagen und der Klimagerechtigtkeitsbewegung einen Schub in die Offensive zu verpassen.
Der Kampf gegen die A49 kann uns organistorisch wie inhatllich nach vorne bringen, neue notwendige Begegnungen initieren und uns lehren, Niederlagen in Siege umzuwandeln!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Für einen Angriff auf die Zerstörung!
All Cops are Targets!
Quelle https://de.indymedia.org/node/122533